Schweizer Strommarkt auf einen Blick
Der Schweizer Strommarkt ist teilliberalisiert: Private Haushalte können ihren Stromversorger nicht frei wählen, während Grosskunden (Verbrauch über 100 MWh/Jahr) freien Zugang zum Strommarkt haben
Weder die kleinen, regionalen Kraftwerke, noch die grossen Stromproduzenten sehen sich für die Versorgungssicherheit der ganzen Schweiz verantwortlich
Investitionen in Grossprojekte blieben in den letzten Jahren aus und führen heute zu einer unsicheren Versorgungslage
Die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen gleichen einem Flickenteppich und sind mit hohen Risiken für den Schweizer Strommarkt und die Stromversorgung verbunden
Grundlagen
Bis ins Jahr 2001 wurde der Strommarkt in der Schweiz im starren Monopol geführt. Ein Bundesgerichtsentscheid führte zur Aufhebung des Monopols und ermöglichte neuen Anbietern den Netzzugang – sprich die Durchleitung von Strom über lokale Netze. 2009 trat das Stromversorgungsgesetz in Kraft und der Strommarkt wurde teilliberalisiert. Das bedeutet:
Grosskunden ab 100’000 kWh/Jahr haben Zugang zum freien Markt und können ihren Stromversorger frei wählen
Private und kleinere Unternehmenskunden werden vom lokalen Grundversorger mit Strom beliefert und können nicht frei wählen
Das Netz an und für sich bleibt ein natürliches Monopol, da es volkswirtschaftlich keinen Sinn macht, Netze unkoordiniert doppelt zu führen. Die oberste Netzebene (380 und 220kV), das sogenannte Hochspannungsnetz – quasi die Autobahnen der Elektrizitätsverteilung – wurden dazu ab 2014 an die Swissgrid übertragen. Sie betreibt die Anlagen, regelt den Zugang, überwacht die Stabilität, baut das Netz aus und verantwortet die internationale Zusammenarbeit im Stromnetz.
Strompreise und Investitionslücken
Mit dem StromVG-Gesetz wurden die Strompreise für die gebundenen Kleinkunden (sog. Grundversorgung) geregelt. Kleinkunden können ihren Energielieferanten nicht selbst wählen. Das Stromgesetz erlaubt jedoch Eigenproduktion und Eigenverbrauch von Strom, beispielsweise durch eine Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Hausdach. Wird mehr Strom produziert als konsumiert, darf der Überschuss ins Netz des lokalen Verteilers eingespiesen werden und wird entschädigt. Damit verbunden wurden auch Subventionen für «Neue Erneuerbare Energien» wie Wind und Photovoltaik eingeführt.
Grosse Stromproduzenten wie Axpo oder Alpiq haben nur wenige gebundene Kunden und beliefern primär den freien Markt. Sie können sich nicht mit langfristigen Verträgen absichern und sind quasi gezwungen ihre Energieproduktion an der Strombörse abzusichern (bis zu 3 Jahre). Regionale Verteiler und Gemeindewerke mit zu wenig eigener Produktion für die gebundenen Kunden (z.B. Kantonswerke) sind ihrerseits gezwungen, ihren Strombedarf auszuschreiben oder an der Strombörse einzudecken.
Für die Versorgungssicherheit sehen sich weder die grossen Stromproduzenten noch die regionalen Werke zuständig. Denn das Stromgesetz sieht vor, dass der Markt die Versorgungssicherheit regelt. Dies hat sich seit der Einführung des Stromgesetzes jedoch nicht bewahrheitet. In der Realität stiegen in den vergangenen Jahren die Subventionen. Immer häufiger verhindern Einsprachen und Umweltauflagen Investitionen in neue Energiewerke. Die aktuelle Strompreisgestaltung bremst Investitionen oder lenkt diese ins Ausland.
Kurzum: Kaum einer investierte in dieser unsicheren Ausgangslage noch in grosse Kraftwerke. Mit dem Resultat, dass die Schweiz sich heute mit einer unsicheren Stromversorgung für die kommenden Jahre konfrontiert sieht.
Politischer Flickenteppich
Die Idee des Stromvermarkungsgesetz geht nicht auf – denn die dem Markt überlassene Verantwortung für die Versorgungssicherheit bedingt, dass genügend Strom zu jeder Zeit im System vorhanden ist. Das Dreieck von Marktliberalisierung, langfristigen Investitionszyklen für Produktionsanlagen und Klimapolitik ist aus der Balance geraten. Die erhoffte Wirkung einer Teilliberalisierung des Schweizer Strommarkts bleibt aus.
Im Jahr 2017 wurde die nationale Energiestrategie 2050 an der Urne angenommen. Bereits wenige Jahre später wird deutlich, dass diese Strategie auf (zu) optimistischen Annahmen beruht – die Planungen für Stromkonsum, Bevölkerungsentwicklung und Zubau der erneuerbaren Energien lagen weit neben den realen Entwicklungen der letzten Jahre. Im Kern baut die Energiestrategie 2050 damit auf den Import von Strom aus dem Ausland. Eine solche Importstrategie ist jedoch extrem risikobehaftet: Nicht nur weil die Nachbarländer (ausser Frankreich) im Winter selbst auf Stromimporte angewiesen sind.
Im Falle eines Stromabkommens mit der EU müsste auch der Markt für Kleinkunden in der Grundversorgung vollständig liberalisiert werden. Viele der 600 lokalen Versorger wären kaum mehr konkurrenzfähig und würden die Liberalisierung nicht überleben – eine innenpolitische Zerreissprobe.